LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON \"OSTEOPOROSE\" am 12.05.2011
Meine Schwiegermutter ist extrem zierlich. Nun mache ich mir Sorgen, dass sie vielleicht Osteoporose bekommen könnte. Ist es richtig, dass vor allem schlanke Frauen nach den Wechseljahren betroffen sind?
- Dr. Ortrun Stenglein-Gröschel: Frauen mit einem niedrigen BMI (< 20) haben ein hohes Risiko, nach den Wechseljahren an Osteoporose zu erkranken, da sie in der Regel auch eine geringe Muskelmasse haben. Eine Knochendichtemessung, eine ausreichend kalorische Ernährung und körperliches Training sind anzuraten.
Seit einem Oberschenkelhalsbruch habe ich Angst vor einem weiteren Sturz. Allerdings weiß ich gar nicht, wie brüchig meine Knochen wirklich sind. Von Osteoporose hat niemand etwas gesagt. Wie kann ich mehr erfahren?
- Dr. Ortrun Stenglein-Gröschel: Gehen Sie zu einem Osteologen und lassen Sie nach einer Risikoabschätzung eine Messung Ihrer Knochendichte durchführen. Man wird Ihnen danach eine Therapie empfehlen. Zudem erhöhen Vitamin D, calciumreiche Kost und vor allem Sport Ihre Gangsicherheit und vermindern so Ihr Sturzrisiko.
Seit ich mehrere Wirbel gebrochen habe, komme ich ohne Schmerzmittel nicht mehr aus. Auf Dauer kann das aber doch keine Lösung sein. Wie kann ich verhindern, dass es zu weiteren Wirbelbrüchen kommt?
- Dr. Oliver Bock: Tatsächlich ist Ihr Risiko für weitere Wirbelkörperbrüche besonders hoch. Es ist eine absolute Notwendigkeit, alle Behandlungsmöglichkeiten umfassend zu nutzen. Das beginnt bereits mit der Ursachenabklärung. Manche Osteoporosen haben eine ganz konkrete Ursache – zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen oder rheumatische Erkrankungen, die parallel behandelt werden müssen. Regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Calcium-Aufnahme (ca. 1.000 mg/Tag) sind generell wichtig. Zudem wird eine Einnahme von Vitamin D empfohlen (1.000-2.000 I.E./Tag), da wir den häufigen Vitamin-D-Mangel in unseren Breiten und vor allem bei älteren Menschen sonst kaum ausgleichen können. In jedem Falle erfordert eine Osteoporose mit Wirbelkörperfrakturen eine umfassende Schmerztherapie und Physiotherapie – zur Linderung der Beschwerden, zur Kräftigung der Muskulatur, zur Verbesserung der Beweglichkeit und zur Verringerung des Sturzrisikos. Und ganz wichtig: Es muss bei einer fortgeschrittenen Osteoporose eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden.
Um mein Gleichgewicht zu verbessern und weiteren Stürzen vorzubeugen, würde ich gern ein wenig Sport treiben. Welche Übungen sind geeignet?
- Dr. Oliver Bock: Die Übungen sollten Ihrem Leistungsvermögen und Ihren Defiziten entsprechen. In jedem Fall sollten Sie nicht einseitig, sondern ausgewogen trainieren. Das schließt immer Übungen zur Verbesserung der Balance, der Dehnung, der Muskelkraft und der Muskelleistung gleichermaßen ein. Auch Elemente aus dem Tai-Chi haben sich bewährt. Informieren Sie sich bei Selbsthilfegruppen oder Therapeuten, welches Training für Sie speziell geeignet ist. Es gibt hierzu auch eine Reihe von hilfreichen Informationsbroschüren. Als Ergänzung eines solchen Programms eignet sich ein gelenkschonendes Ausdauertraining wie Walking, Schwimmen oder Radfahren.
Mit 50 wurde bei mir eine beginnende Osteoporose festgestellt. Seitdem nehme ich regelmäßig Calcium. Wie kann ich sicher sein, dass das ausreicht? Gibt es Anzeichen für das Fortschreiten der Erkrankung?
- Prof. Dr. Andreas Kurth: Calcium allein ist nicht ausreichend. Man sollte zusätzlich den Vitamin-D-Spiegel hoch halten und das geht mit einer täglichen Ergänzung von 1.000 Einheiten mit Vitamin D. Außerdem sollten auf körperliches Training geachtet werden. Leider gibt es in der frühen Phase keine Anzeichen für ein Fortschreiten des Knochenschwunds. Erst mit den ersten Brüchen an der Wirbelsäule und an den Extremitäten wird die Erkrankung sichtbar. Dies gilt es aber zu vermeiden und im Vorfeld Risikofaktoren ermitteln. Eine schlechte Knochendichte ist solch ein Risikofaktor. Dies sollte man ab einem gewissen Alter regelmäßig kontrollieren.
Mein Arzt hat mir von einer neuen Osteoporosetherapie erzählt, die nur zweimal im Jahr gespritzt werden muss. Was können Sie mir zu dieser Therapie sagen?
- Prof. Dr. Peyman Hadji: Hier handelt es sich um ein neues Medikament, das halbjährlich einfach unter die Haut gespritzt wird und das einen völlig anderen Wirkansatz hat als die bisherigen Standardtherapien. Sein Wirkstoff Denosumab greift unmittelbar in die Knochenbiologie ein und wirkt direkt am Ort des Geschehens. In den Studien hat es durch gute Wirksamkeit und Verträglichkeit überzeugt.
Seit meine Frau sich die Hüfte gebrochen hat, möchte sie am liebsten kaum noch vor die Tür gehen. Doch macht sie mit dieser Passivität nicht alles noch schlimmer? Nur Tabletten zu schlucken, kann doch nicht die Lösung sein?
- Dr. Ortrun Stenglein-Gröschel: Ihre Frau braucht nach dieser schweren Verletzung ein angepasstes, sich steigerndes Muskeltraining, das ihr zu mehr Kraft, Ausdauer, Selbstvertrauen, Sicherheit und Balance verhilft. Frische Luft und UV-Strahlung sind in der Zeit von Mai bis Anfang Oktober besonders wichtig zur Bildung des körpereigenen Vitamin D. Motivieren Sie Ihre Frau, indem Sie sie bei den sportlichen Aktivitäten begleiten und unterstützen. Ein spürbarer Trainingseffekt wird sich schnell einstellen.
Meine Großmutter muss sehr viele Medikamente auf einmal nehmen. Hinzu kommt die Osteoporose-Tablette, die sie immer wieder vergisst. Gibt es nicht eine alternative Behandlungsmöglichkeit?
- Prof. Dr. Andreas Kurth: Osteoporose ist heute nicht mehr ausschließlich mit Tabletten zu therapieren. Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit der Behandlung mit Spritzen und Infusionen. Diese haben den Vorteil, dass die Medikamente auf jeden Fall im Körper sind und nicht vergessen werden können. Das ist gerade für Patienten wichtig, die täglich viele Tabletten einnehmen müssen. Je länger der Zeitraum zwischen den Gaben eines Medikamentes ist, desto einfacher ist es für den Patienten, die Therapie einzuhalten. Medikamente, die nicht oder falsch eingenommen werden, können nicht helfen. Aber gerade bei Osteoporose muss dauerhaft therapiert werden, um Brüche langfristig zu verhindern.
Da in meiner Familie bereits einige Fälle von Osteoporose aufgetreten sind, habe ich Angst, dass ich auch gefährdet bin. Ist diese Sorge berechtigt und wie kann ich vorbeugen?
- Dr. Oliver Bock: Osteoporose ist eine insgesamt sehr häufige Erkrankung. Deshalb ist es nicht unbedingt ein Alarmzeichen, wenn diese Erkrankung auch in Ihrer Familie aufgetreten ist. Eine besondere Aufmerksamkeit sollte aber dann bestehen, wenn Osteoporose bei mehreren direkt miteinander verwandten Familienmitgliedern aufgetreten sein sollte – insbesondere wenn Menschen bereits in jungen Jahren ohne erkennbare andere Ursache, etwa eine Kortisontherapie, betroffen waren und Knochenbrüche auftraten.
Die sogenannte Leitlinie 2009 des Dachverbandes Osteologie empfiehlt keine generelle Osteoporosediagnostik bei einer familiären Vorbelastung, sondern nur bei zusätzlichen Verdachtsmomenten. Lediglich bei bereits über 60-jährigen Frauen und über 70-jährigen Männern wird auch ohne sonstigen Anhaltspunkt eine Osteoporosediagnostik empfohlen, wenn ein Elternteil eine Hüftfraktur erlitten hat. Unter www.dv-osteologie.org gibt es eine Patientenversion der Leitlinie.
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